Dienstag, 13. Dezember 2011

Verbotene Vögel

Die politischen Gefangenen in Uruguay durften ohne Erlaubnis nicht reden, auch nicht pfeifen, lächeln, singen, schnell gehen oder andere Gefangene grüßen. Sie durften keine Bilder von schwangeren Frauen, Paaren, Schmetterlingen, Sternen oder Vögeln bekommen.

Didako Perez war wegen "ideologischer Ideen" eingesperrt. Eines Tages wollte seine 5 Jahre alte Tochter Milay ihn sonntags besuchen und brachte eine selbstgemalte Zeichnung von einem Vogel mit. Die Gefängniswärter zerstörten das Bild am Eingang zum Gefängnis.

Am folgenden Sonntag kam Milay mit einer Zeichnung mit Bäumen. Bäume sind nicht verboten und das Bild kommt durch. Didako lobt die Zeichnung seiner Tochter und fragt dann, was die kleinen farbigen Punkte oben im Baum sind, die man kaum zwischen den Blättern sehen kann: "Sind das Orangen? Was für Früchte sind das? ". Das Mädchen hält einen Finger vor ihren Mund und sagt leise "Psssst!". Dann flüstert sie in sein Ohr: "Bist du albern? Siehst du nicht, dass das Augen sind? Es sind die Augen der Vögel zwischen den Zweigen, die ich für dich hereingeschmuggelt habe!"

von Eduardo Galeano

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